Presseerklärung
Am Dienstagabend hat der Gemeinderat endlich das echte Bürgerbegehren anerkannt. Das rechtswidrige Vorgehen der Stadt wurde damit beendet und die demokratische Institution des Bürgerentscheids
vom Gemeinderat zumindest formal akzeptiert.
Bedauerlich allerdings ist die notorische Rechtsunsicherheit in Teilen der Stadtverwaltung, die am Dienstagabend in der schockierenden Aussage von Stadtrat Nübel gipfelte. Dieser warf allen Ernstes den Vertrauenspersonen ihr Einschreiten gegen den „Rechtsbruch“ der Stadt vor. Dabei liegt die alleinige Verantwortung für das Debakel bei der Stadtverwaltung bzw. bei Bürgermeister Keucher - wie es auch das Verwaltungsgericht in Freiburg mit seinem Beschluss festgestellt hat.
Stadträte sind Vertreter der Bürger und beauftragt, in deren Sinne zu handeln - nicht nach eigenen Wünschen und Ambitionen. Bei extrem wichtigen Entscheidungen können die Bürger ihren Willen bekunden. Das bedeutet kein Misstrauen gegenüber dem Gemeinderat, sondern ist für diesen zugleich Orientierungshilfe und Auftrag. Sich dem zu widersetzen bedeutet, sich de facto gegen ein demokratisches Rechtsgut zu stellen. Dabei ist die Entscheidung über den Fortbestand unserer Wälder auch für künftige Generationen dermaßen bedeutend, dass unsere Vertreter eigentlich froh sein sollten, den erklärten Willen der Bürger zu kennen und ihm folgen zu dürfen - und nicht eines Tages für mögliche schwerste Folgeschäden in Verantwortung zu stehen.
Besonders bedauerlich sind solche Entgleisungen wie die von Herrn Nübel auch vor dem Hintergrund, dass die Vertrauenspersonen – vertreten durch Patrik Helbig – ausdrücklich ihren Wunsch nach einem fairen und gerechten Wahlkampf zum Ausdruck gebracht haben. Nur so können auch nach dem Bürgerentscheid alle wieder zu einem von Vertrauen und gegenseitigem Respekt getragenen Miteinander finden. Ein guter Umgang ist dabei unverzichtbar, nicht nur im Hinblick auf die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Bürgerschaft, sondern auch angesichts der tiefen Gräben, die durch die offensichtliche und anhaltende Benachteiligung der kritischen Bürger aufgeworfen worden sind. Hier Brücken zu bauen war eigentlich das erklärte Ziel der Vertrauenspersonen an diesem Abend gewesen.
Die Stadt indes zeigte leider keinerlei erkennbares Entgegenkommen. So wurde der Termin für den Bürgerentscheid kompromisslos auf den 23.02.2025 festgesetzt, dies obwohl Helbig ausführlich dargelegt hatte, wie problematisch dieser Zeitpunkt für alle Seiten ist. Dabei ist die Stadt und an erster Stelle Bürgermeister Keucher allein verantwortlich für den verschobenen Wahltermin und den damit verbundenen „zweiten“ Wahlkampf. Statt in sich zu gehen und diese fulminante Scharte auszuwetzen, wird einfach stur im eigenmächtigen und unfairen Stil weitergemacht, frei von jeglicher Einsicht in das eigene Fehlverhalten, das sogar gerichtlich festgestellt werden musste.
Die Frist bis zum nun beschlossenen Wahltermin am 23.02.2025 ist nicht nur extrem kurz, sie umfasst auch noch die Feiertage von Weihnachten bis Silvester und fällt zudem in die umtriebige Fastnachtszeit mit all ihren Veranstaltungen. Wir sind einfache Bürgerinnen und Bürger, die sich allein aus eigener Kraft, eigenen Mitteln und mit enormem persönlichem Engagement für den Erhalt unsrer Wälder einsetzen. Uns gegenüber stehen die Strukturen der Stadtverwaltung und die finanziellen Mittel eines Finanzinvestors mit hohem Eigeninteresse. Dadurch verschärfen sich die ungleichen Bedingungen für den Wahlkampf sogar noch weiter. Genau diese Art von Benachteiligungen waren es, die das Verwaltungsgericht angemahnt hat.
Vielleicht noch problematischer ist die Tatsache, dass der Bürgerentscheid nun voraussichtlich mit der Bundestagswahl zusammenfällt. Ein solches politisches Großereignis beherrscht den öffentlichen Diskurs vollkommen und lässt im Grunde keinen Raum für andere Themen. Der Bürgerentscheid droht dadurch im Fahrwasser des Bundeswahlkampfes unterzugehen - Rang und Bedeutung werden ihm somit entzogen. Die Stadt hält den Termin vor allem für „praktisch“ und ignoriert dabei völlig den für einen demokratischen Prozess der Meinungsfindung nötigen Raum. Erschwerend kommt eine verschärften Ausgangslage hinzu, nachdem sich die Fragestellung nun quasi umgekehrt hat: So müssen die Gegner von Windanlagen im Wald nun am 23.02.2025 mit einem „JA“ stimmen, um unsere Natur zu schützen, und nicht wie zuvor ihr Kreuz bei „NEIN“ machen. Uns ist es wichtig, dass die Bürger genau wissen, welche Entscheidung sie treffen. Dass all dies von der Stadt einfach ignoriert wird zeigt, wie hier die Bedeutung des Bürgerentscheids noch immer heruntergespielt und der Willensbekundung der Bürger weder echtes Interesse noch Respekt entgegengebracht wird. Der Widerstand gegen die Bevormundung durch den Bürgermeister und Teile des Gemeinderats wächst allerdings immer mehr, und wir bekommen zunehmend Zuspruch und Unterstützung von Sulzer Bürgern und Menschen aus der Region. Das bestätigt uns in unserer Aufgabe und gibt uns Kraft für den anstehenden Wahlkampf.
Rainer Beck, Patrik Helbig, Dr. Georg Schrön – Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens
Rede der Vertrauensperson Patrik Helbig vor dem Gemeinderat am 17.12.24:
Sehr geehrter Gemeinderat,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
sehr geehrte Vertreter der Stadtverwaltung,
mein Name ist Patrik Helbig, ich bin Bürger der Stadt Sulz und neben Dr. Georg Schrön und Rainer Beck bin ich eine der drei Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens, für das wir heute einen neuen Termin für den Bürgerentscheid festlegen sollen.
1.365 Bürger haben durch ihre Unterschrift bekundet, dass sie bei der wichtigen Frage - ob der Bau von Windkraftanlagen in kommunalen Waldflächen unterbleibt, selbst entscheiden wollen. Das ist kein Misstrauen gegenüber dem Gemeinderat oder Majestätsbeleidigung. Ein ehemaliges Gemeinderatsmitglied hat mich angesprochen und gefragt, was uns eigentlich einfiele so etwas durchzuführen. Da kann ich nur antworten: Wir als Bürger nehmen hier unsere demokratischen Rechte war. Denn bereits im Grundgesetz Artikel 20 Absatz 2 steht: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Im § 21 der Gemeindeordnung des Landes Baden-Württemberg ist der Bürgerentscheid ebenfalls explizit beschrieben und geregelt.
Mit der Entscheidung des Gemeinderates am 30.09. gegen unser Bürgerbegehren, ist der Wille der Sulzer Bürger leider etwas unter die Räder gekommen. Erstens wurde es zu Unrecht von Ihnen als unzulässig abgelehnt, wie sich durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg gezeigt hat. Und zweitens wurde auch das Verfahren bis zum Bürgerentscheid einseitig betrieben und so war kein ausgewogener Informationsaustausch und Meinungsbildung der Bürger gegeben. Durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts wurde der Bürgerentscheid am 8.12 unterbunden.
Mir geht es hier nicht um Schuldzuweisung, sondern darum - wie kann man es besser machen. Daher ist für uns Vertrauenspersonen Fairness wichtiger als Zeit. Denn am Ende des Bürgerentscheids wird eine der Parteien unterliegen. Die Bürger deren Meinung nicht die Mehrheit erzielt hat, können aber mit der Niederlage besser leben, wenn es zuvor fair zugegangen war.
Daher schlagen wir einen späteren Zeitpunkt für den Bürgerentscheid vor und zwar Sonntag, den 6. April. Dieser spätere Zeitpunkt ist immer noch innerhalb der 4 Monatsfrist und hat folgende drei Vorteile:
1. Fairness in der Bereitstellung der Informationen.
Das Verfahren bis zum Bürgerentscheid soll dazu dienen die Bürger mit Informationen zu versorgen, die die Willensbildung und Entscheidungsfindung der Bürger ermöglichen. Ein späterer Termin stellt sicher, dass:
- Die Bürger sich mit der neuen Fragestellung vertraut machen können. Denn durch die von Ihnen um 180 Grad verdrehte Fragestellung des Ratsbegehrens ist das bisherige ja das zukünftige nein.
- Informationen ausgewogener bereitgestellt werden können. Insbesondere die Informationsbroschüre kann paritätisch aufgebaut werden.
- Beide Parteien noch ein oder zwei Informationsveranstaltungen mit der neuen Fragestellung durchführen können.
- Und was noch wichtiger ist, dass die Informationen zum Bürgerentscheid nicht im Wahlkampf zur Bundestagswahl, mit all den Plakaten, Bannern und Wahlkampfveranstaltungen etc., untergehen bzw. davon überlagert werden.
- Sichergestellt wird, dass Hallen für Infoveranstaltungen angemietet werden können; dies ist in der Fastnachtszeit vermutlich kaum möglich.
2. Fairness in Bezug auf Zeit
Um ein faires Verfahren zu gewährleisten, braucht man Zeit. Und diese Zeit wäre bis zu einem Bürgerentscheid am 23.2 sehr eingeschränkt:
- Die Informationsbroschüre muss 20 Tage vor dem Bürgerentscheid dem Bürger zugänglich sein. Der Druck und die Verteilung benötigen eine Woche. Davor muss der Inhalt festgelegt und gestaltet werden. Dann sollte man mindestens zwei Korrekturschleifen haben. Dabei ist zu bedenken, dass die Bürger dies in ihrer Freizeit machen und von daher schon mehr Zeit benötigen.
- Bis zum 23.Februar stehen noch viele andere Termine an. So haben wir jetzt erst mal die Weihnachtszeit bei der die engagierten Bürger und auch die Mitarbeiter der Stadtverwaltung Luft holen sollten.
- Erst am 6. Januar können wir wieder durchstarten, aber so kurzfristig sind keine Redner zu bekommen. Freie Termine in den Hallen sind ebenfalls begrenzt.
3. Fairness in Bezug auf die aufzubringenden Mittel
Um all das zu bewerkstelligen braucht man auch die finanziellen Mittel. Und diese sind in dieser „David-Goliath-Konstellation“ sehr unterschiedlich verteilt. So wird Pro Wind Sulz von der Stadtverwaltung unterstützt und auch der Finanzinvestor Qualitas hat sich bisher eingebracht. Während die Bürgerinitiative und die anderen Gruppierungen, die sich gegen Windanlagen im Wald aussprechen, auf die Mitwirkung der Bevölkerungen und auf Spenden angewiesen sind. Für die Vorbereitung auf den am 08.12. terminierten Bürgerentscheid wurden alle Kräfte und finanzielle Mittel ausgeschöpft. Es braucht Zeit, um hier wieder handlungsfähig zu werden. Bitte berücksichtigen Sie daher die Tatsache, dass die Kräfteverhältnisse nicht ausgewogen sind. Es ist daher nur fair, wenn Sie die benötigte Zeit gewähren.
Zudem möchten wir Vertrauenspersonen Anfang Januar zusammen mit Ihnen Regeln für ein Verfahren ausarbeiten, die den fairen Umgang bis zum Bürgerentscheid gewährleisten sollen. Wie zum Beispiel Infoveranstaltungen, paritätische Informationsbroschüre, Informationen im Mitteilungsblatt, Nutzung des öffentlichen Raums für Plakate und Banner und noch ein paar andere Dinge.
Nun ist es an Ihnen, liebe Gemeinderatsmitglieder, über das weitere Vorgehen abzustimmen. Sie vertreten eine Stadt, die mehrfach für ihr Bürgerengagement ausgezeichnet wurde. Bitte werden Sie dem damit verbundenen Anspruch gerecht und tragen Sie Ihren Teil dazu bei, dass der Wille der 1.365 Bürger respektiert wird und es nicht zu weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen kommen muss. Uns jedenfalls ist an einem fairen und ausgeglichenen Verfahren gelegen.
Wenn Ihnen der Bürgerwille und ein faires und ausgeglichenes Verfahren bis zum Bürgerentscheid auch wichtig sind, dann stimmen Sie bitte für den 6. April. Diese Verlängerung wird die Stadt nicht ins Chaos stürzen, sondern zur Befriedung innerhalb der Bürgerschaft beitragen.
Vielen Dank.